MADRID, 18 (EUROPA PRESS)
Eine Studie des Cajal Neuroscience Center (CNC) des spanischen Nationalen Forschungsrats (CSIC) zeigt, dass die Mikrobiota in der Lage ist, die positive Wirkung moderater körperlicher Betätigung auf das Gedächtnis zu modulieren.
Zunächst beobachteten die Forscher in Tiermodellen, dass körperliche Aktivität von etwa 40 Minuten Dauer bei mittlerer Geschwindigkeit die Bakterienvielfalt im Darm verbessert. Sie fanden außerdem heraus, dass diese Veränderungen der Darmflora die Auswirkungen körperlicher Betätigung auf das Gehirn, wie beispielsweise eine Verbesserung des Gedächtnisses und der Neurogenese, stark modulieren.
Die in eBioMedicine, einer Zeitschrift der Lancet-Gruppe, veröffentlichten Ergebnisse eröffnen neue Wege für die Entwicklung zukünftiger mikrobiotabasierter Therapien zur Bekämpfung neurodegenerativer Erkrankungen und kognitiver Störungen.
Forscher weisen darauf hin, dass die Auswirkungen von Sport auf das Gehirn seit langem bekannt sind, beispielsweise seine Fähigkeit, mit dem Altern umzugehen oder den Verlauf von Krankheiten wie Alzheimer zu verbessern.
Sie weisen jedoch darauf hin, dass das Erreichen dieser positiven Effekte von der Hormesis abhängt, der Kurve, die den Verlauf bis zum Erreichen eines Schwellenwerts, dem sogenannten Wendepunkt, bestimmt. Darüber hinaus führt eine Steigerung der Intensität oder Dauer des Trainings nicht nur zum Verschwinden der Effekte, sondern wirkt sich auch kontraproduktiv aus. Die hormetische Kurve ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich, daher wird die spezifische Intensität, die den Wendepunkt bestimmt, noch untersucht.
Nun hat eine von José Luis Trejo, einem Forscher am Cajal Neuroscience Center (CNC-CSIC), koordinierte Arbeit in einem Tiermodell gezeigt, dass moderates Training von etwa 40 Minuten Dauer bei durchschnittlicher Geschwindigkeit die kognitive Leistung, das räumliche Unterscheidungsvermögen und die Entwicklung neuer Neuronen im Hippocampus, einer Schlüsselregion für Gedächtnis und Lernen, verbessert.
Alle diese kognitiven Vorteile hängen daher von körperlicher Betätigung ab, vor allem aber von ihrer moderaten Ausübung, da eine übermäßige Steigerung der Intensität oder Dauer dazu führt, dass die Übung ihre Wirksamkeit verliert, wie die neutralen Ergebnisse bei Mäusen zeigen. „Es gibt ein optimales Trainingsniveau, ab dem Vorteile erzielt werden, und eine Überschreitung dieser Dosis kann diese Verbesserungen möglicherweise nicht nur nicht fördern, sondern sogar verhindern“, betont Elisa Cintado, Forscherin am CNC-CSIC und Erstautorin der Studie.
Neben der Bestimmung der idealen körperlichen Aktivität zur Erzielung der positiven Effekte auf kognitive Funktionen und Neurogenese – also die Bildung neuer Neuronen im erwachsenen Gehirn – zeigt die Studie vor allem, dass diese positiven Effekte durch Veränderungen in der Zusammensetzung der Darmflora vermittelt werden. Zu diesem Zweck entwickelten die Forscher verschiedene Trainingsprotokolle, darunter moderates Training, Langzeittraining und hochintensives Training, und analysierten deren Auswirkungen auf Gedächtnis, Gehirn und Darmflora der Mäuse.
„Mit unserem experimentellen Modell konnten wir nachweisen, dass wir zwar schon lange wissen, dass regelmäßige Bewegung die Gesundheit des Gehirns verbessert, uns aber die spezifische Rolle der Darmmikrobiota in diesem Prozess nicht bewusst war“, erklärt Trejo.
DIE BEDEUTUNG DER MIKROBIOTA
Die Darmmikrobiota, also die Gesamtheit der Mikroorganismen, die den Darm bewohnen, variiert je nach Lebensstil. Insbesondere moderate körperliche Betätigung spielt eine wichtige Rolle bei der Erhöhung der Bakterienvielfalt (ein Indikator für eine gesunde Mikrobiota) und bestimmter Bakteriengattungen, stellten die Forscher fest.
Das Vorhandensein einiger dieser Gattungen, wie etwa „Acetatifactor“ oder bestimmter Arten der Bakterienfamilie „Lachnospiraceae“, trug positiv zur Verbesserung der kognitiven Leistung der Tiere bei.
Um festzustellen, ob diese mikrobiellen Veränderungen lediglich korrelierten oder eine kausale Rolle bei den Auswirkungen des Trainings spielten, gingen die Wissenschaftler einen Schritt weiter: Sie führten fäkale Mikrobiota-Transplantationen durch. Sie entnahmen Stuhlproben von Mäusen, die mäßig oder lange trainiert hatten, und übertrugen sie auf inaktive Mäuse.
Das Ergebnis: Bei Tieren, die sich nicht viel bewegten und die Mikrobiota von (moderaten) Läufern erhielten, verbesserte sich das Gedächtnis und die Neurogenese wurde gesteigert, genau wie bei den trainierten Tieren. Bei Tieren, die die Mikrobiota von Langzeitläufern erhielten, war diese Verbesserung jedoch nicht zu beobachten. „Dies zeigt ursächlich, dass die kognitiven Effekte von Bewegung maßgeblich durch die Darmmikrobiota vermittelt werden“, sagt Cintado.
DIE KOMPLEXE SYMBIOSE ZWISCHEN DARM UND GEHIRN
Das Team untersuchte auch die Gehirnmechanismen, die an der kognitiven Verbesserung der trainierten Tiere oder der Tiere beteiligt waren, die die Mikrobiota von Tieren erhielten, die moderates Training absolviert hatten. Die Ergebnisse zeigen, dass die positiven Auswirkungen auf das Gehirn auf eine Zunahme neuronaler Stammzellen (Neuronenvorläuferzellen) und unreifer Neuronen im Hippocampus zurückzuführen sind.
„Die statistischen Korrelationen zwischen den Konzentrationen bestimmter Darmbakterien und zellulären Markern der Neurogenese waren konsistent und untermauerten die Hypothese, dass die Darmmikrobiota als Modulator der Gehirnplastizität fungiert“, erklärt Trejo.
Darüber hinaus stellten die Forscher fest, dass dieser Effekt nicht auf das Gehirn beschränkt war. Bei den moderat trainierten Tieren war die Blut-Hirn-Schranke (ein Netzwerk von Blutgefäßen, das das Gehirn vor schädlichen Substanzen schützt) und das Darmepithel (Zellen, die das Eindringen von Giftstoffen und Krankheitserregern in den Darm verhindern) besser erhalten. Im Gegensatz dazu zeigten die Tiermodelle, die intensiverer körperlicher Aktivität ausgesetzt waren, Veränderungen beider biologischen Barrieren.
Obwohl die Experimente an Tiermodellen durchgeführt wurden, haben die Ergebnisse Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. Laut den Autoren untermauert die Studie die Annahme, dass die Auswirkungen von Bewegung auf das Gehirn maßgeblich von Art, Dauer und Intensität der Bewegung abhängen und dass eine Personalisierung der körperlichen Betätigung auf der Grundlage der physiologischen und mikrobiellen Eigenschaften eines Individuums den Nutzen maximieren könnte. „Wir sollten die Vorstellung überdenken, dass mehr Bewegung nicht immer besser ist. Moderates, regelmäßiges und auf den Einzelnen zugeschnittenes Training kann sowohl für den Körper als auch für das Gehirn effektiver sein“, sagt der CNC-CSIC-Forscher.
Diese Forschung eröffnet zudem neue Wege für die Entwicklung zukünftiger mikrobiotabasierter Therapien. Die Möglichkeit, die Mikrobiota als Vermittler zur Modulation von Gehirnfunktionen zu nutzen, stellt ein vielversprechendes Feld der Neurobiologie dar, das bei neurodegenerativen Erkrankungen und kognitiven Störungen Anwendung finden könnte.